Stolperschwellen-Verlegung am 22.03.2023

Stolperschwellen-Verlegung am 22.03.2023

Im Markt Meitingen verlegt der Künstler Gunter Demnig eine Stolperschwelle

 

Von Rosmarie Gumpp

 

Meitingen: 78 Jahre nach Kriegsende erinnerte die Marktgemeinde Meitingen mit der Verlegung einer Stolperschwelle im Bahnhofsbereich an die Menschen, die im Zweiten Weltkrieg zur Zwangsarbeit hierher deportiert wurden. Dr. Bernhard Lehmann von der regionalen Arbeitsgruppe Augsburg-Schwaben „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ erläuterte die Historie der Zwangsarbeit im Markt Meitingen. Stolpersteine und Stolperschwellen werden für alle Opfer des NS-Terrors verlegt. Sie wirken einer Hierarchisierung und dem Vergessen von Opfergruppen entgegen. Zwangsarbeit war im Dritten Reich auch in Meitingen für jedermann sichtbar. Franzosen, Polen, Ukrainer wohnten bei den Bauern oder hausten in Sammelunterkünften unter Bewachung wie in Langenreichen im Feuerwehrhaus, in den Tanzsälen der Gasthäuser wie in Erlingen und Herbertshofen oder im Souterrain der heutigen Wolfgangsstraße 14 in Meitingen. Dr. Bernhard Lehmann führte in seiner Ansprache auch aus, dass die Westarbeiter mit der einheimischen Bevölkerung kommunizierten, um Lebensmittel bettelten und in ihrer „Freizeit“ sprichwörtlich für ein Butterbrot arbeiteten. Mehrere Zeitzeugen waren auch zur Veranstaltung gekommen. Ohne die zivilen Zwangsarbeiter, Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge wäre die deutsche Wirtschaft und Infrastruktur zusammengebrochen. Zwangsarbeiter gab es in Meitingen und den Ortsteilen bei der Gemeinde, in der Industrie und Bauwirtschaft, im Handwerk, der Gastronomie, im Kulturbereich, in den Haushalten und in der Kirche. „Es gab kaum einen Betrieb, der nicht von der Arbeit der deportierten Menschen profitiert hätte. Dennoch war und bleibt Zwangsarbeit ein Verbrechen“, so Dr. Bernhard Lehmann. Weshalb die Stolperschwelle am Bahnhofsvorplatz verlegt wurde, erläuterte Dr. Lehmann ebenfalls. Rund drei Millionen Menschen, Juden, Sinti und Roma und weitere verfolgte Minderheiten wurden in den Zügen der Reichsbahn in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Die Bahn verdiente gut an den Deportationen in den Tod. Der Verein „Zug der Erinnerung“, der seit 2007 die Deportationen von Kindern während des Nationalsozialismus aufarbeitete, hat aufgelistet, dass die Reichsbahn umgerechnet 445 Millionen Euro an den Deportationen von mindestens zwei Millionen Menschen in die Vernichtungslager verdiente. Begonnen hatte dieser besondere Tag der Stolperschwellenverlegung im Christkönigsinstitut. Die Veranstaltung wurde von Erika Bier und dem Lehrer der Mittelschule Meitingen Klaus Edenhofer und seiner Gesangsgruppe musikalisch umrahmt. Sie beeindruckten mit dem Lied der „Moorsoldaten“ und dem Song „Augen auf“ von Sarah Connor. Bürgermeister Dr. Michael Higl meinte in seiner Eröffnungsansprache, dass es für ihn heute eine ganz besondere Gedenkfeier werden wird. Dabei sprach er auch den Tod seines Schulfreundes und langjährigen Wegbegleiters Andreas Tepper an. Er war bis zu seinem unerwarteten Tod am vergangenen Sonntag (19. März) Konrektor an der Mittelschule in Meitingen. Die Mittelschule Meitingen gestaltete diese Gedenkfeier zur Stolperschwellenverlegung. Organisiert wurde sie bis zuletzt von Konrektor Andreas Tepper. Er schrieb mit seinen 10. Klässlern die Texte, die die Schüler im Christkönigsinstitut sehr würdevoll vortrugen. Rektor Peter Reithmeir verlas die Rede seines verstorbenen Mitarbeiters, die eigentlich Andreas Tepper zugedacht war. Ihm war es wichtig, dass die Demokratisierung einen wichtigen Platz im Schulleben der Mittelschule Meitingen hat. Schon mit dem Schulmotto „Anlagen entfalten, Werte leben, Orientierung schaffen“ will die Mittelschule antidemokratischen Strömungen entgegenwirken, denn Demokratie ist wichtig, Demokratie muss geschützt werden. Im Christkönigsinstitut sprach auch Oberin Annemarie Bäuml und stellte kurz die Broschüre „Brot zwischen den Schienen“ vor, die vor kurzem im Archiv des Christkönigsinstitutes entdeckt wurden. Sie erzählt von Anna Stadler, einer Deutschen, die wie viele andere auch sich der Barbarei Nazideutschlands widersetzten. Auf dem Weg vom Christkönigsinstitut zur Schwellenverlegung am Bahnhofsvorplatz wurde ein kurzer Halt an den Stolpersteinen von Dr. Max Josef Metzger, Michael Lerpscher und Josef Ruf eingelegt. Marktgemeinderäte legten weiße Rosen nieder. Der Künstler Gunter Demnig verlegte die Stolperschwelle. Er hat mit der Verlegung von mehr als 100 000 Steinen in 26 Ländern das größte dezentrale Kunstdenkmal der Welt geschaffen. Schüler der 10. Klassen legten Blumen nieder, Rektor Peter Reithmeir verlas für wen. Bürgermeister Dr. Michael Higl: „Neben den schon im Markt Meitingen verlegten Stolpersteinen am Christkönigsinstitut sowie der Stolperschwelle zum Gedenken an die Zwangsarbeiter der ehemaligen Firma Siemens-Plania am Standort der SGL-Carbon ist es uns ein Anliegen, auch den Zwangsarbeitern, die zur Aufrechterhaltung der Bahnstrecke sowie in der Landwirtschaft eingesetzt wurden, zu gedenken und so ein Zeichen gegen das Vergessen und zur Mahnung zu setzen“.